Die Leiden des Speerwerfers Andreas Hofmann
Deutschland galt ein Jahrzehnt lang als „Speerwurfland“ mit vier Deutschen Werfern unter den ersten zehn der ewigen Weltbestenliste. Nicht einmal das Diskuswerfen mit den Olympiasiegern Lars Riedel, Jürgen Schult, Robert und Christoph Harting kann da mithalten. Die erfolgreichen Zeiten scheinen der Vergangenheit anzugehören. Johannes Vetter, zweitbester Werfer aller Zeiten, kämpft mit Verletzungsproblemen, Olympiasieger Thomas Röhler hinkt mit seinen Leistungen hinterher, und jetzt hat mit Andreas Hofmann von der MTG Mannheim ein weiterer 90 Meter-Werfer seinen Rücktritt erklärt.
Der Leistungssport hat bei dem 32-Jährigen Spuren hinterlassen. Neun Operationen musste der zweifache deutsche Meister über sich ergehen lassen. „Am Ende war es eine Vernunftentscheidung, mit dem Leistungssport Schluss zu machen“, musste sich Hofmann jetzt eingestehen. Im Dezember 2023 unterzog er sich einer letzten Knie-Operation, die Olympiasaison musste er abbrechen. Nach Gesprächen mit Ärzten, Physios, Trainern und Sponsoren hat er vor wenigen Tagen seine Karriere beendet.
Bei der Universiade 2017 war er mit seinem ersten 90 Meter-Wurf und der Silbermedaille in die Weltelite vorgestoßen, bei der WM 2015 in Peking war er Sechster, 2017 in London Achter. „Taipeh war mein emotional schönster Erfolg“, erinnert er sich. Doch seitdem wechselten sich Hochs und Tiefs, Verletzungen und Top-Leistungen immer wieder ab.
Die Höhepunkte seiner Karriere: Bei der DM in Nürnberg holte er sich seinen ersten deutschen Meistertitel mit dem bis heutige gültigen Meisterschaftsrekord von 89,55 Metern. In Berlin wurde er 2018 hinter Thomas Röhler Vize-Europameister, im selben Jahr errang er im Züricher Letzigrund den Gesamtsieg in der Diamond League mit dem zweitbesten Wurf seiner Karriere auf 91,44 Meter. „Als ich dort im Cabrio auf die Ehrenrunde gefahren wurde, schlug mir Euphorie entgegen“, erinnert er sich an den außergewöhnlichsten Moment seiner Laufbahn. Auch, weil er hier mit 50.000 Dollar Preisgeld die höchste Prämie seiner Karriere kassierte. Mit 92,06 Metern erzielte Hofmann im selben Jahr in Offenburg seine persönliche Bestleistung und kreierte mit „hammer-fett-bombe-krass“ zur Beschreibung der erfolgreichen Saison 2018 so etwas wie das Wort des Jahres im Sport. Bei der WM 2019 in Doha erlitt er die größte sportliche Enttäuschung. Als drittbester Werfer mit Medaillenhoffnungen angereist, schied er in der Qualifikation aus.
Speerwerfen gilt als eine der verletzungsintensivsten Disziplinen der Leichtathletik. Dies musste auch Andreas Hofmann bitter erfahren. Operationen an Schulter, Ellbogen, Leiste und Knie warfen ihn immer wieder zurück und verhinderten auch eine Olympiateilnahme. Doch Hofmann war auch ein Stehaufmännchen und kehrte immer wieder in die Weltklasse zurück. „Der Leistungssport hat mich geprägt, Speerwerfen war meine Leidenschaft und mein Leben“, ist sein Credo am Ende, „das streift man nicht so leicht ab wie das Trikot“.
Zu Beginn seiner Karriere galt er als Universaltalent. „Ich hätte auch Fußballer, Basketballer oder Handballer werden können“, erinnert er sich. Am Ende wurde der 800 Gramm schwere Speer sein Lieblingsgerät. Während der aktiven Karriere studierte er Sportwissenschaften und Management in Heidelberg und schloss mit Bachelor und Master ab. Er kann sich ein Engagement im Sport in der Rhein-Neckar-Region gut vorstellen, bei einem der Großvereine MTG, den Rhein-Neckar-Löwen, den Adlern oder der TSG Hoffenheim. Nur eines schließt er aus: Trainer möchte er nicht werden. Zu lange hat er da wohl an der Front gekämpft. Lutz Klemm war 18 Jahre sein Trainer.